Die Einkommenserklärung, auch bekannt als Gewinn- und Verlustrechnung (Profit and Loss Statement oder P&L), bietet eine Zusammenfassung der jährlichen Einnahmen, Kosten und Gewinne/Verluste eines Unternehmens. Sie ist eines der drei zentralen Finanzdokumente, neben der Bilanz und der Cashflow-Rechnung.
Die Einkommenserklärung erfasst Einnahmen und Ausgaben zum Zeitpunkt der Entstehung (Accrual Accounting). Beispielsweise erscheint eine Rechnung am Tag der Entstehung in der Einkommenserklärung eines Unternehmens, unabhängig davon, wann die Zahlung erfolgt. Im Gegensatz dazu wird in der Cashflow-Rechnung eine Ausgabe erst erfasst, wenn die Zahlung tatsächlich geleistet wird.
Beispiel:
Angenommen, ein Unternehmen verkauft Produkte im Wert von 100.000 € und erhält eine Rechnung für Materialkosten in Höhe von 40.000 €. In der Einkommenserklärung wird der Umsatz von 100.000 € zum Zeitpunkt des Verkaufs erfasst, und die Materialkosten von 40.000 € erscheinen gleichzeitig.
Wichtige Begriffe in der Einkommenserklärung
- Betriebsumsatz (Operating Revenue): Alle Einnahmen, die aus dem regulären Geschäftsbetrieb eines Unternehmens resultieren.
- Betriebskosten (Operating Costs): Diese werden unterteilt in:
- COGS (Cost of Goods Sold): Kosten, die direkt durch die Produktion von Waren entstehen, z. B. Material- und Arbeitskosten.
- SGA (Selling, General and Administrative Costs): Kosten, die nicht leicht einem einzelnen Produkt zugeordnet werden können, wie allgemeine Werbekosten.
- Bruttogewinn (Gross Profit): Betriebsumsatz abzüglich der Betriebskosten.
- Nicht betriebliche Einnahmen und Kosten (Non-Operating Revenue and Costs): Einnahmen und Ausgaben, die nicht mit der Haupttätigkeit des Unternehmens verbunden sind, wie der Verkauf von Immobilien oder Rechtskosten.
- Abschreibungen (Depreciation): Der Wertverlust von Vermögenswerten, wie z. B. veralteten Maschinen.
- Zinsen (Interest): Kosten für Schulden, die in der Bilanz aufgeführt sind.
- Steuern (Taxes): Steuern, die auf das EBT (Earnings Before Tax) gezahlt werden.
💡Prep-Tipp: Du willst deine Kopfrechnen-Skills auffrischen? Kein Problem mit unserem Kopfrechnen-Tool!
Rolle der Einkommenserklärung im Consulting und in Case-Interviews
Die Einkommenserklärung ist ein wichtiges Instrument zur Analyse der Rentabilität eines Unternehmens. In Beratungsprojekten und Case-Interviews spielen verschiedene Finanzkennzahlen eine entscheidende Rolle, um tiefere Einblicke in die finanzielle Lage und Leistung eines Unternehmens zu gewinnen.
Analyse von Finanzkennzahlen:
- Bruttomarge (Gross Profit Margin): Diese Kennzahl zeigt die Rentabilität des Kerngeschäfts an und berücksichtigt nur den Betriebsumsatz, COGS und SGA. Eine hohe Bruttomarge weist darauf hin, dass das Unternehmen effizient produziert und seine Kosten im Griff hat.
- Betriebsgewinnmarge (Operating Margin): Hierbei werden auch nicht betriebliche Kosten und Einnahmen sowie Abschreibungen berücksichtigt. Diese Kennzahl gibt einen umfassenderen Einblick in die Rentabilität des Unternehmens.
- Nettogewinnmarge (Net Profit Margin): Diese Kennzahl berücksichtigt alle Kosten, einschließlich Zinsen und Steuern, und ist ein Indikator für die Gesamtrentabilität des Unternehmens.
Durch den Vergleich der Bruttomarge und der Nettogewinnmarge können Berater:innen Rückschlüsse auf die Ursache von Abweichungen ziehen. Wenn die Nettogewinnmarge unterschiedlich ist, die Betriebsgewinnmarge jedoch konstant bleibt, deutet dies darauf hin, dass Unterschiede in Steuer- und Zinszahlungen die Ursache sind.
Case-Beispiel
💡 Um den gesamten Prozess der Darstellung der Gewinn- und Verlustrechnung und ihre Bedeutung für Case-Interviews zu verdeutlichen, illustrieren wir diese Berechnung anhand eines Cases von Oliver Wyman.
Case-Prompt
TrainCo ist ein Hersteller von rollendem Material, oder Zügen, mit Produktionsstätten in drei europäischen Ländern. Das Unternehmen hat in den letzten Jahren eine rückläufige Rentabilität verzeichnet, befindet sich jedoch derzeit in einer sehr guten Position, um sich um einen großen Auftrag für Regionalzüge für eine Schweizer Bahngesellschaft zu bewerben und diesen auch zu gewinnen. Das Unternehmen hat Sie gebeten, es zu beraten, ob es sich um den Auftrag bewerben soll.
Gegebene Informationen
- Verkaufs- bzw. Umsatzpreis pro Zug: €21.0 Mio.
- Variable Kosten pro Zug:
- Materialkosten: €15.2 Mio.
- Arbeitskosten: €3.9 Mio.
- Fixkosten für die Anlage in der Schweiz:
- Re-Tooling-Investition: €16.0 Mio.
- Jährliche Fixkosten (20 % der Investition): €3.2 Mio. pro Jahr
- Dismantling-Kosten: €2.0 Mio.
- Produktion: 30 Züge in 6 Jahren (5 Züge pro Jahr)
- Variable Gewinnmarge pro Zug: €1.9 Mio.
Jetzt erstellen wir ein Income Statement über die gesamte Laufzeit des Projekts, um den Gesamtgewinn zu berechnen.
Berechnungen
1. Gesamtumsatz:
- Umsatz pro Zug = €21.0 Mio.
- Gesamtumsatz für 30 Züge = 30 * €21.0 Mio. = €630.0 Mio.
2. Gesamtkosten:
a. Variable Kosten:
- Materialkosten für 30 Züge = 30 * €15.2 Mio. = €456.0 Mio.
- Arbeitskosten für 30 Züge = 30 * €3.9 Mio. = €117.0 Mio.
- Gesamte variable Kosten = €456.0 Mio. + €117.0 Mio. = €573.0 Mio.
b. Fixkosten:
- Re-Tooling-Investition = €16.0 Mio. (einmalig)
- Fixkosten pro Jahr für 6 Jahre = 6 * €3.2 Mio. = €19.2 Mio.
- Dismantling-Kosten = €2.0 Mio. (einmalig)
- Gesamte Fixkosten = €16.0 Mio. + €19.2 Mio. + €2.0 Mio. = €37.2 Mio.
3. Gesamtkosten (variable + fixe Kosten):
- Gesamtkosten = €573.0 Mio. + €37.2 Mio. = €610.2 Mio.
4. Gewinn:
- Gesamtumsatz = €630.0 Mio.
- Gesamtkosten = €610.2 Mio.
- Gesamtgewinn = €630.0 Mio. - €610.2 Mio. = €19.8 Mio.
5. Profitmarge:
- Profitmarge = (Gesamtgewinn / Gesamtumsatz) * 100 = (€19.8 Mio. / €630.0 Mio.) * 100 = 3,1 %
Ergebnis
Die berechnete Profitmarge beträgt 3,1 %. Allerdings wird in dem Case eine Mindestmarge von 10 % gefordert, was bedeutet, dass der derzeitige Plan für die Produktion in der Schweiz die Anforderungen an die Rentabilität nicht erfüllt.
Das Unternehmen muss also die Kosten senken oder den Umsatz steigern, um die 10%-Profitmarge zu erreichen.
⚠️ Wir haben den Case vereinfacht, um das Schema zu veranschaulichen. Im realen Case werden auch andere Faktoren, wie die Möglichkeit eines Standortwechsels, berücksichtigt. Kannst du den gesamten Case lösen? Finde es hier heraus!
Key Takeaways
- Die Einkommenserklärung fasst die Einnahmen und Ausgaben eines Unternehmens über einen bestimmten Zeitraum zusammen und verwendet die Accrual Accounting-Methode, um Transaktionen zum Zeitpunkt ihrer Entstehung zu erfassen.
- Wichtige Komponenten sind der Betriebsumsatz, die Betriebskosten (COGS und SGA), der Bruttogewinn und der Nettogewinn, die zusammen die finanzielle Gesundheit und Leistung des Unternehmens widerspiegeln.
- Finanzkennzahlen, die aus der Einkommenserklärung abgeleitet werden, wie die Bruttomarge und die Nettomarge, sind entscheidend für die Analyse der Rentabilität und operativen Effizienz.
- Abweichungen in diesen Margen können auf zugrunde liegende Probleme hinweisen, wie Änderungen in der Steuerstrategie oder Zinsaufwendungen, wodurch die Einkommenserklärung ein wesentliches Instrument für strategische Entscheidungen im Consulting und in Case-Interviews ist.