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Als Geisteswissenschaftler:in in die Beratung einsteigen

Hast du einen geisteswissenschaftlichen oder nicht ganz so traditionellen Hintergrund und zweifelst daran, ob du in die Beratung einsteigen kannst? Machst du dir Sorgen, dass du beim Bewerbungsprozess benachteiligt bist, weil du kein BWL-Studium oder MBA-Programm absolviert hast?

Geistes- und Sozialwissenschaftler:innen werden häufig als Exoten betrachtet, wenn es um den Berufseinstieg im Consulting geht, denn in der Branche deutlich weiter verbreitet sind „traditionelle“ Studienhintergründe wie BWL, Management oder Wirtschaftswissenschaften. Mit meinem Universitätsstudium im Hauptfach Geschichte und ohne relevante Praktikumserfahrung hatte ich entsprechende Zweifel, ob ich in die Beratung einsteigen könnte.

Die Realität ist jedoch, dass ein geistes- oder sozialwissenschaftlicher Hintergrund dich nicht unbedingt benachteiligt, wenn du eine Karriere bei MBB oder anderen Top-Beratungen wie Roland Berger, Oliver Wyman oder Kearney anstrebst.

In diesem Artikel möchte ich etwas Licht ins Dunkel bringen und einige gängige Mythen zum Berufseinstieg als Geisteswissenschaftler:in in der Unternehmensberatung entlarven. Außerdem werde ich meine Key Takeaways darüber teilen, wie du deinen nicht-traditionellen Hintergrund zum Vorteil im Bewerbungs- und Interviewprozess nutzen kannst.

3 gängige Mythen über den Einstieg in die Beratung ohne einen Wirtschaftsabschluss

Mythos 1

Top-Beratungsunternehmen wie MBB stellen nur Kandidat:innen mit einem wirtschaftlichen Hintergrund oder MBAs ein.

Realität: In Wirklichkeit stellen Top-Beratungsunternehmen wie MBB (McKinsey, BCG, Bain) aus einer Vielfalt von Hintergründen ein.

Als Kandidat:in mit einem nicht-traditionellen Hintergrund ist es wichtig zu verstehen, wie Beratungsunternehmen im Rahmen ihres Einstellungsprozesses ticken und welcher Kontext ihr Denken prägt.

Im Recruitingprozess konzentrieren sich Top-Beratungsunternehmen erstmal gar nicht so sehr auf deinen spezifischen Abschluss oder Hintergrund. Vielmehr schauen sie auf die spezifischen Fähigkeiten und Eigenschaften, die du mitbringst (z.B. analytische Problemlösungsfähigkeiten; Kommunikations- und Soft Skills; Führungspotenzial etc.). Unabhängig von deinem Studienhintergrund muss deutlich werden, dass du in der Lage sein wirst, den Job als Unternehmensberater:in exzellent auszufüllen.

Als generalistisch aufgestellter Consultant wirst du dich vor allem dadurch weiterentwickeln, dass du mit einer Vielzahl von verschiedenen Projekten konfrontiert wirst. Du wirst verschiedenen Branchen, Projekttypen und Situationen ausgesetzt sein, die du niemals alle studiert haben kannst oder entsprechende Erfahrung mitbringst. Trotzdem wird erwartet, dass du das grundlegende Consulting-Toolkit mitbringst, um Probleme zu bewältigen und letztendlich ein gutes Ergebnis für den Kunden zu erzielen.

Wenn ich zum Beispiel an mein erstes Jahr in der Beratung zurückdenke, war ich verschiedenen Branchen (Bergbau, Konsumgüter, Bankwesen) und unterschiedlichen Projekttypen (Beschaffung, Markteintritt, Kundenstrategie) ausgesetzt.

Die Bandbreite der Projekte und Kundensituationen in der Beratung ist so vielfältig, dass es unmöglich ist, vor Beginn des Jobs oder sogar vor der nächsten Projektauswahl das fachliche Wissen und Know-how für jedes mögliche Projekt aufzubauen. Daher ist es für Beratungsunternehmen weniger relevant, welchen Abschluss oder welches Fachgebiet du studiert hast, sondern wichtiger ist, ob du die übertragbaren Kernfähigkeiten eines Consultants besitzt. Für generalistische Consultant-Positionen suchen Beratungen keine Expertise, sondern Eignung.

Consultingfirmen suchen nach Fähigkeiten und Eigenschaften, die unabhängig von der Fachdisziplin, Branche und dem Hintergrund des Kandidaten anwendbar sind. Das ist der Grund, warum ich es mit einem Geschichtsabschluss in die Beratung geschafft habe. Deshalb kommen Berater:innen aus einer Vielzahl von Hintergründen – während meiner Zeit bei MBB habe ich Berater:innen mit Hintergründen in Recht, Medizin, Anthropologie, Politik, MINT und viele weitere kennengelernt.

Mythos 2

Ich bin benachteiligt, weil ich kein Wirtschaftsstudium absolviert habe. Mein Non-BWL-Hintergrund ist nicht nützlich oder relevant für die Beratung.

Realität: Ein “exotischer” Hintergrund kann tatsächlich ein Vorteil sein.

Wenn wir die Fähigkeiten und Eigenschaften betrachten, nach denen Beratungsunternehmen suchen, werden wir feststellen, dass die meisten davon nicht von der Consulting-Branche erfunden wurden. Tatsächlich existieren viele dieser Fähigkeiten seit Jahrhunderten (oder sogar Jahrtausenden) vor unserer modernen Ära und einige waren historisch gesehen sogar ganz integraler Bestandteil verschiedener Disziplinen. Zum Beispiel:

Analytisches und kritisches Denken

Die Fähigkeit, Fakten und Daten zu analysieren, Annahmen zu hinterfragen und robuste Argumente zu bilden, ist eine grundlegende Fähigkeit in der Beratung, doch sie ist ganz und gar nicht neu: Etwa 400 v. Chr. gab es bereits Aufzeichnungen davon, wie Sokrates auf dem Athener Platz debattierte und argumentierte.

In unserer modernen Zeit setzen viele Disziplinen heute ebenfalls analytisches und kritisches Denken ein. Die Hauptunterschiede liegen dabei in den Datenquellen und thematischen Schwerpunkten der Analysen, aber oft sind die Logik und Prinzipien dahinter die gleichen.

Anbei ein paar Beispiele:

  • Der Literaturstudent, der seine These rechtfertigen muss, indem er die von einem Dichter verwendeten Sprachwerkzeuge kritisch analysiert.
  • Die Kunsthistorikerin, die ein robustes Argument über die Bedeutung eines Gemäldes bilden muss, indem sie die visuellen Motive und die Techniken des Künstlers analysiert.
  • Der Ökonom, der quantitative Daten interpretieren und Erkenntnisse ableiten muss.

Hypothesengetriebenes Denken

Berater:innen nutzen hypothesengetriebenes Denken, um auf effiziente und effektive Weise zu aussagekräftigen Antworten für ihre Kund:innen zu gelangen. Hypothesen werden tatsächlich in einer Vielzahl von Disziplinen verwendet, insbesondere in solchen, die stark auf Forschung und Empirie basieren. Während es einige Nuancen im Unterschied zwischen einer wissenschaftlichen Hypothese und einer Geschäftshypothese gibt, ist die Logik und der Denkprozess im Großen und Ganzen sehr ähnlich.

Zum Beispiel: Als ich mich nach Abschluss meines Geschichtsstudiums bewarb, erkannte ich, dass ich bereits eine sehr hypothesengetriebene Denkweise in meiner Forschung verwendet hatte. In vielen meiner College-Essays war meine zentrale These die Beantwortung einer Frage und der Rest meines Aufsatzes unterstützte meine Argumente durch induktive Logik. Ich hatte hypothesengetriebenes Denken in meiner Forschung angewandt und mich immer wieder gefragt: „Welche Analysen würden meine Argumente unterstützen und welche Daten benötige ich, um diese Analysen durchzuführen?“

Mythos 3

Ich habe keine typischen business-relevanten Erfahrungen in meinem Lebenslauf (z.B. Praktika). Daher ist meine Bewerbung schwächer.

Realität: Unkonventionelle Erfahrungen können ebenso die benötigten Fähigkeiten demonstrieren. Als Kandidat:in ohne BWL-Hintergrund hast du vielleicht nicht geplant, in die Beratung einzusteigen und hattest vielleicht nicht das gleiche Maß an Vorbereitung wie andere Kandidat:innen. Doch die Eigenschaften und Fähigkeiten, nach denen Beratungsunternehmen suchen, sind nicht auf betriebliche Praktika beschränkt. Lass uns dazu ein paar Beispiele aus ganz unterschiedlichen Kontexten betrachten:

Akademische Forschungs- und Lehrpositionen

  • Mit einem Hintergrund in der wissenschaftlichen Forschung bringst du in der Regel großartige Problemlösungs- und analytische Skills mit.
  • Darüber hinaus musstest du vermutlich mit anderen Forscher:innen zusammenarbeiten und akademische Veranstaltungen organisieren. Das zeigt deine Teamwork- und Führungsqualitäten.

Sportteams

  • Beim Mannschaftssport zeigst du Teamstärke und Führungspotenzial, wenn du zum Beispiel eine Position als Kapitän oder Teamleiter innehast.
  • Der Sieg bei einer angesehenen Meisterschaft offenbart deine Leistungsbereitschaft, deinen Ehrgeiz und deine Ausdauer.

Engagement in NGOs

  • NGOs sind oft in herausfordernden Umfeldern aktiv. Als Mitglied kannst du zeigen, dass du auch in komplexen Situationen zurechtkommst, Problemlösefähigkeiten mitbringst und den entsprechenden unternehmerischen Drive hast, um schwierige Herausforderungen zu meistern.

Persönliche "Leidenschafts"-Projekte

  • Der Aufbau eines erfolgreichen persönlichen Projekts oder einer "Nebenbeschäftigung" (z.B. ein beliebter YouTube-Kanal, ein Online-E-Commerce-Shop etc.) kann unternehmerischen Antrieb und eine Erfolgsbilanz auf deinem CV demonstrieren.

Ich hatte bis zum letzten Semester vor meinem Abschluss noch nie von der Beratungsbranche gehört. Während meiner 4 Jahre an der Universität habe ich entsprechend keinerlei Vorbereitungen getroffen, um ins Consulting einzusteigen. Tatsächlich hatte ich nicht einmal Praktika, da ich ursprünglich dachte, dass ich nach dem Abschluss einen Doktor machen würde. Entsprechend musste ich ganz genau schauen, welche Erfahrungen ich mitbringe und wie ich diese in meiner Bewerbung herausstellen kann, um im Recruitingprozess zu überzeugen. Viele Kandidat:innen bringen objektiv betrachtet nicht das „richtige Rohmaterial“ auf ihrem CV mit, aber mit der richtigen Storyline kannst du es trotzdem schaffen, deine Erfahrungen so zu präsentieren, dass sie die im Consulting benötigten Skills demonstrieren.

3 Schritte für Non-BWL Kandidatinnen

Wenn du dich auf deinen Weg in die Beratung begibst, schlage ich 3 Schritte vor, die dir helfen sollen, deinen Traum zu verwirklichen:

1. Ändere dein Mindset
Wenn du in die Beratung einsteigen möchtest, dann solltest du dein Endziel im Blick behalten und ergebnisorientiert vorgehen. Oft verschwenden Kandidat:innen mit nicht-traditionellen Hintergründen zu viel Energie damit, sich Sorgen zu machen, ob sie den Anforderungen entsprechen, anstatt sich damit zu befassen, wie sie ihr Ziel erreichen können.

2. Bestimme deinen Ausgangspunkt
Setze dich damit auseinander, welche Stärken du mitbringst, inwiefern du auf den Interviewprozess im Consulting vorbereitet bist und an welchen Stellen noch Lücken bestehen. Es gibt ein paar übliche Schwächen, mit denen nicht-traditionelle Kandidat:innen häufig konfrontiert sind:

  • Mangelnde relevante Berufserfahrung im Lebenslauf
  • Quantitatives Denken und Business-Sense im Case-Interview

3. Entwickle eine Strategie
Um dir ein Angebot zu sichern, braucht es mehr als eine gute Vorbereitung auf das Case-Interview oder das Verfeinern des Lebenslaufs. Du benötigst einen umfassenden Plan, um dir nicht nur das Interview zu sichern, sondern auch die notwendigen Fähigkeiten aufzubauen, um es zu bestehen.

Abschließende Tipps für deinen Start im Consulting

Zuletzt werde ich einige Tipps aufgrund meiner eigenen Erfahrung teilen, wie du einige der üblichen Schwächen im Case-Interview angehen kannst:

Quantitatives Denken
Dies war ein Bereich, den ich anfangs sehr gefürchtet habe, denn Mathematik war nie eines meiner starken Fächer und als Geschichtsstudent hatte ich während meines Studiums auch nur wenig mit Zahlen zu tun. Was für mich funktioniert hat, war, mich dazu zu zwingen, quantitativ zu denken und zu argumentieren. In so vielen Alltagssituationen wie möglich, habe ich versucht, Formeln zu generieren und quantitative Antworten und Lösungen auf ganz verschiedene Probleme und Fragestellungen zu erhalten.

Zum Beispiel habe ich die Entscheidung für eine Kreditkarte quantifiziert, indem ich mir die Jahresgebühren, Prämienpunkte usw. ausgerechnet und schließlich in Relation zueinander gesetzt habe. An der Kasse im Supermarkt habe ich mir die Frage gestellt, wie viele zusätzliche Kassen benötigt würden, um die Wartezeit zu verkürzen usw. Du wirst feststellen: Dein Alltag ist voll mit quantitativ lösbaren Problemstellungen.

Urteilsvermögen und Business Sense

Beratungsunternehmen erwarten von Kandidat:innen in der Regel "gesunden Menschenverstand". Ich definiere das als die Fähigkeit, basierend auf deinem Verständnis der Welt und wie sie funktioniert, zu argumentieren und Logik anzuwenden.

Was ich in diesem Zusammenhang extrem hilfreich fand, war, Analogien über Erfahrungen oder Beobachtungen zu verwenden, die ich kannte. Um zum Beispiel einen bestimmten Produktpreis im Rahmen des Case-Interview zu verstehen, habe ich meine eigene Erfahrung beim Kauf von Waren und Dienstleistungen zu verschiedenen Preisniveaus genutzt und zur Ermittlung des unbekannten Produktpreises herangezogen. Auch meine eigenen Erfahrungen beim Besuch eines Starbucks-Cafés konnte ich einsetzen, um einem Case-Interview mögliche betriebliche Engpässe eines Restaurants zu identifizieren.

Benjamin hat über 8 Jahre Erfahrung in der Beratung. Er startete seine Karriere bei Kearney SEA und wechselte dann für weitere 5 Jahre zu BCG SEA, wo er zuletzt als Principal tätig war. Bei BCG wurde Benjamin zweimal schnell befördert (Consultant zu Project Lead; Project Lead zu Principal) und als CEO-Ambassador ausgewählt (interne Entsendung). Benjamin hat eine Fülle von Case-Erfahrungen in verschiedenen Funktionen (Strategie, Betrieb, Transformation, Due Diligence) und Branchen (PE, TMT, öffentlicher Sektor, Verbraucher, Tech). Während er sich zunächst auf Südostasien konzentrierte, hat Benjamin inzwischen auch Cases im Nahen Osten, Nordasien sowie Südasien betreut.

Bei BCG hatte Benjamin ~5 Jahre Erfahrung als Interviewer. Da er selbst aus einem nicht-traditionellen Hintergrund kommt, kann Benjamin praktische Tipps für Quereinsteiger:innen/Erfahrene und nicht-traditionelle Kandidat:innen bieten. Benjamin schloss sein Studium mit einem B.A. (First Class Honours) in Geschichte an der National University of Singapore ab.

Benjamin hat über 8 Jahre Erfahrung in der Beratung. Er startete seine Karriere bei Kearney SEA und wechselte dann für weitere 5 Jahre zu BCG SEA, wo er zuletzt als Principal tätig war. Bei BCG wurde Benjamin zweimal schnell befördert (Consultant zu Project Lead; Project Lead zu Principal) und als CEO-Ambassador ausgewählt (interne Entsendung). Benjamin hat eine Fülle von Case-Erfahrungen in verschiedenen Funktionen (Strategie, Betrieb, Transformation, Due Diligence) und Branchen (PE, TMT, öffentlicher Sektor, Verbraucher, Tech). Während er sich zunächst auf Südostasien konzentrierte, hat Benjamin inzwischen auch Cases im Nahen Osten, Nordasien sowie Südasien betreut.

Bei BCG hatte Benjamin ~5 Jahre Erfahrung als Interviewer. Da er selbst aus einem nicht-traditionellen Hintergrund kommt, kann Benjamin praktische Tipps für Quereinsteiger:innen/Erfahrene und nicht-traditionelle Kandidat:innen bieten. Benjamin schloss sein Studium mit einem B.A. (First Class Honours) in Geschichte an der National University of Singapore ab.

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