Beim Sprechen über Case-Interviews hört man oft, dass man keine standardisierten Business-Frameworks und -Konzepte verwenden sollte, da sie einfach nicht zu spezifischen Cases passen und Interviewer:innen es nicht mögen, wenn Kandidat:innen standardisierte Frameworks zur Lösung von Cases nutzen. Diese Aussagen werden zwar sehr häufig getroffen, jedoch sind die Argumente sehr verallgemeinernd und oberflächlich und können beim genaueren Betrachten gut widerlegt werden. In diesem Artikel über Case-Interview-Frameworks wirst du lernen, wie man Cases mit Hilfe von Frameworks strukturiert. Darüber hinaus stellt dir unser Experte Robert die gebräuchlichsten Case-Interview-Frameworks im Detail vor und erklärt, wie du sie während deines Interviews einsetzen kannst.


Die wichtigsten Frameworks für dein Case-Interview
Bevor wir im Detail darauf eingehen, wie man Frameworks während des Case-Interviews verwendet, ist es wichtig, ein grundlegendes Verständnis davon zu haben, was Case-Interview-Frameworks sind. Insgesamt beschreiben Case-Interview-Frameworks verschiedene Ansätze und Methoden zur Lösung von Geschäftsproblemen auf eine strukturierte und methodische Weise. Durch die Verwendung von Frameworks können Kandidat:innen ein komplexes Problem in seine grundlegenden Bestandteile zerlegen. Du solltest daher die wesentlichen Arten von Cases kennen, um festzustellen, welches Framework zur Anwendung geeignet sein könnte.
Es stimmt, dass man ein richtiges Case-Interview nicht allein durch den Einsatz standardisierter Frameworks lösen kann – trotzdem sind die Business-Frameworks und -Konzepte äußerst hilfreiche Vorlagen, die man verinnerlichen sollte, um sie bei Bedarf einsetzen zu können (wenn nicht in vollem Umfang, dann zumindest teilweise!). Ein solches Standard-Business-Framework ist nur ein Tool – und dies ist an sich meist weder gut noch schlecht. Es hängt hauptsächlich davon ab, wie und zu welchem Zweck man es verwendet.
Gleichzeitig ist für fast alle meine Coaching-Kandidat:innen die richtige Strukturierung des Case-Interviews die größte Herausforderung. Da dies ein häufiges Problem für viele ist, lohnt es sich, dieses Thema genauer zu betrachten. Vielleicht hast du schon von "ABS" (Always Be Structured) gehört – besonders McKinsey achtet stark auf die Strukturierung, insgesamt legen aber alle Top-Beratungsunternehmen großen Wert darauf, dass man in den Interviews stets gut strukturiert vorgeht.
Um die Strukturierung von Case-Interviews genauer zu betrachten, kann man zwei Teile eines typischen Case-Interviews unterscheiden, in denen Frameworks normalerweise zum Einsatz kommen:
- Struktur für den gesamten Case zu Beginn des Case-Interviews
- Beantwortung spezifischer Fragen in späteren Phasen des Case-Interviews
Struktur für den gesamten Case zu Beginn des Case-Interviews
Am Anfang des Case-Interviews musst du eine Gesamtstruktur entwickeln, wie du den Case angehen willst. Interviewer:innen fragen oft etwas wie: "Welche Aspekte müssen Sie hier berücksichtigen?" oder "Angenommen, Sie sind der Projektleiter dieser Beratungsaufgabe, welche Bereiche würden Sie untersuchen?"
Es ist höchst unwahrscheinlich, dass du eine realistische Case-Interview-Frage an ein standardisiertes Framework anpassen kannst. Wäre es so einfach, würden fast alle Kandidat:innen in die Beratungsfirmen aufgenommen werden und die Kund:innen könnten ihre Geschäftsprobleme selbst lösen, ohne Millionen von Dollar an Beratungsfirmen zu zahlen, indem sie einfach ein standardisiertes Framework anwenden.
Deshalb muss dein Ansatz sehr flexibel sein, weil du ihn stark an die spezifische, individuelle Interviewfrage anpassen musst. Es ist dein Ansatz, der flexibel sein muss, um zur Case-Fage zu passen, nicht umgekehrt.
Im Allgemeinen sehe ich zwei verschiedene Ansätze für diese Phase des Case-Interviews:
Ansatz #1: Vertraue auf übergeordnete Case-Interview-Strukturen
Es ist schwierig, völlig unterschiedliche Frameworks für verschiedene Cases auswendig zu lernen. In einer stressigen Interviewsituation besteht die Gefahr, dass man Dinge durcheinanderbringt und bestimmte Teile der Struktur vergisst. Deshalb habe ich ein integriertes Business-Framework zusammengestellt, das recht MECE (mutually exclusive, collectively exhaustive) und leicht zu merken ist, da es einem logischen Fluss folgt und nicht auswendig gelernt werden muss. Dieses integrierte Business-Framework ist alles, was du brauchst, um die gängigsten Case-Interview-Typen zu bewältigen. Es dient sogar als ausgezeichnete Grundlage für alle anderen Cases– denn du lernst es nicht auswendig, sondern beginnst, wie Consultants zu denken, wenn du dich schwierigen geschäftlichen Herausforderungen stellst. Du kannst das IBF mit den fünf häufigsten Case-Interview-Typen am Anfang dieses Artikels herunterladen.
Ansatz #2: Entwickle deine individuelle Struktur
Basierend auf deiner Case-Interview-Erfahrung (d.h. nach dem Lösen von Dutzenden von Case-Interviews und dem Lesen von noch mehr) kannst du auch versuchen, die erste Ebene deiner Case-Interview-Struktur (d.h. die Hauptbereiche, die du untersuchen willst) individuell von Grund auf zu entwickeln. Das erfordert wahrscheinlich viel Erfahrung, aber das Gute ist, dass du diesen Ansatz jederzeit mit Ansatz #1 kombinieren kannst!
Welchen Ansatz du auch wählst, damit kommst du hauptsächlich zur ersten und zweiten Ebene deiner Struktur. Das allein wird jedoch nicht ausreichen, um deine Interviewer:innen zu beeindrucken – je nach spezifischer Case-Frage ist es normalerweise vorteilhaft, mindestens eine weitere Strukturebene zu haben.
Für diese zusätzliche Ebene ist es äußerst hilfreich, die gängigsten Business-Frameworks und -Konzepte zu kennen. Es ist viel einfacher, dein Case-Interview weiter zu strukturieren, wenn du nicht von Grund auf neu beginnen musst, sondern bestehende Frameworks und Konzepte anwenden kannst. Selbst wenn du vielleicht nur 60% oder 80% eines Frameworks nutzen und es an die spezifische Frage anpassen musst, bist du dennoch viel weiter, als wenn du alles von Grund auf neu entwickeln müsstest.
Angesichts des hohen mentalen und zeitlichen Drucks in einem Consulting-Case-Interview ist es selbst für die besten Kandidat:innen äußerst schwierig, die richtigen Aspekte zu finden und gleichzeitig strukturiert im Sinne von MECE zu bleiben. Das ist ein weiterer Grund, warum es von Vorteil ist, die wichtigsten Business-Frameworks und -Konzepte zu kennen, denn sie helfen dir nicht nur, eine Struktur zu entwickeln, sondern auch MECE zu bleiben und wertvolle Zeit im Interview zu sparen.
Beantwortung spezifischer Fragen in späteren Phasen des Case-Interviews
Auch bei der Beantwortung spezifischer Fragen später im Case-Interview ist es wichtig, strukturiert zu bleiben. Manchmal reicht es aus, einfache Strukturen wie intern vs. extern, kurzfristig vs. langfristig, pro vs. contra zu verwenden. Häufig wird dies jedoch nicht ausreichen, um dich von anderen Kandidat:innen abzuheben. Es geht nicht nur darum, den Case zu lösen, sondern deine:n Interviewer:in zu beeindrucken und dich klar von der Masse der anderen Bewerber:innen abzuheben.
Denke daran, dass du nicht nur am Anfang deines Interviews strukturiert sein musst, wo du normalerweise ein übergeordnetes Framework entwickelst, sondern jederzeit während des Cases.
Es ist jedoch für die meisten Kandidat:innen ziemlich schwierig, spontan ein solides Framework in den späteren Phasen des Case-Interviews zu entwickeln (in denen du keine Zeit hast, um darüber nachzudenken, sondern sofort eine Antwort erwartet wird). Die gute Nachricht: Es wird nicht erwartet, dass du ein hochkomplexes, ausgefeiltes und mehrschichtiges Framework entwickelst. Das Wichtigste ist, strukturiert zu sein – schon die Verwendung irgendeiner Struktur bringt dir mehr als 80% der bestmöglichen Antwort.
Aus diesem Grund sollten alle Bewerber:innen einfache und leicht anzuwendende Mini-Frameworks kennen und nutzen können. Die gängigsten Mini-Frameworks sind:
- Intern vs. extern
- Langfristig vs. kurzfristig
- Quantitativ vs. qualitativ
- Strategisch vs. operational
- Finanziell vs. nicht (direkt-) finanziell
- Kosten vs. Nutzen
- Pros & Contras
- 2 x 2 Matrix (hoch vs. niedrig)
- Priorität 1 vs. 2 (vs. 3)
- Materiell vs. immateriell
- Direkt vs. indirekt
Natürlich gibt es unzählige Frameworks, die du verwenden kannst, um einen Case zu strukturieren. Wir haben die häufigsten Case-Interview-Frameworks für dich ausgewählt, die du herunterladen kannst.
💡 Bonus-Tipp: Wenn du mit den Frameworks vertraut bist, warum wendest du sie nicht auf einige Cases aus unserer Case-Sammlung an?
Finanzkonzepte & Frameworks
Profitabilitäts-Frameworks – Analyse von Umsatz und Kosten
Profitabilitäts-Cases sind die am häufigsten verwendeten Cases während der Interviews für Managementberatungsrollen. Du musst die Ursache für den Rückgang der Profitabilität herausfinden. Beispiele hierfür sind sinkende Umsätze, steigende Kosten oder beides. Deine Aufgabe ist zweigeteilt: Führe eine strukturierte und quantitative Analyse der Daten durch, um das Problem zu isolieren, und finde dann eine vielversprechende Lösung dafür.
Finanzielle Kennzahlen – Gewinnmarge, ROI, CAGR & NPV
Für angehende Consultants ist es unerlässlich zu wissen, wie man die wichtigsten finanziellen Kennzahlen berechnet. Die vier wichtigsten Kennzahlen sind die Gewinnmarge, die Rendite auf Investitionen (ROI), die jährliche Wachstumsrate (CAGR) und der Kapitalwert (NPV). Wir erklären diese Berechnungen mit einfachen Beispielen in unserer Schnellübersicht zu finanziellen Kennzahlen.
Geschäftskonzepte & Frameworks
Unternehmensstrategie – SWOT-Analyse & McKinseys 7S
Die meisten Case-Interviews drehen sich darum, eine geeignete Strategie für ein Unternehmen zu entwickeln. Die SWOT-Analyse dient als Grundlage dafür, indem sie eine solide Analyse der aktuellen und zukünftigen Situation des Unternehmens durchführt. McKinseys 7S-Framework hilft dabei, das Organisationsdesign eines Unternehmens zu analysieren, unter Berücksichtigung von sieben wichtigen internen Elementen einer Organisation.
Markt & Kund:innen – BCG-Matrix, Ansoff-Matrix & 4 P's / 4 C's
Um strategisch zu werben und Produktportfolios für ein Unternehmen zu planen, ist es notwendig, potenzielle Kund:innen zu finden und die Zielmärkte zu identifizieren. Es gibt verschiedene Ansätze, und wir haben die drei häufigsten ausgewählt: Die BCG-Matrix ermöglicht einen Überblick über die Produkte eines Unternehmens und die Ableitung von Strategien für die Produkte. Die Ansoff-Matrix ist eine Produkt-Markt-Matrix, die es ermöglicht, eine Geschäftsstrategie mit Fokus auf Wachstum zu entwickeln, und die 4 P's und 4 C's Frameworks.
Wettbewerb – Wettbewerbsanalyse, Porters 5 Forces & Benchmarking
Für jedes Unternehmen ist es von strategischer Bedeutung, im Markt wettbewerbsfähig zu sein, indem es einen Wettbewerbsvorteil schafft und aufrechterhält. Da ein Wettbewerbsvorteil immer relativ zur Konkurrenz ist, bildet eine solide Analyse des Wettbewerbsumfeldes die Grundlage für die Schaffung und Aufrechterhaltung eines Wettbewerbsvorteils. Die drei Frameworks, die wir genauer betrachten, sind die allgemeine Wettbewerbsanalyse, Porters 5 Forces und Benchmarking.
Zusätzliche Konzepte & Frameworks – Problembaum, Top-down vs. Bottom-up, Angebot & Nachfrage, Break-even-Punkt & Markttypen
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