FTI-Andersch AG Case: Krise im Ferkelstall

Informationen, die dem Kandidaten auf Nachfrage mitgeteilt werden dürfen:

• In der Planung der Viehzucht GmbH für 2023 wird einem Umsatzrückgang von 25% gerechnet.
• Der in der Planung unterstellte Produktmix der Viehzucht GmbH in 2023 sind 40% Ferkel und 60% Rinder.

Da in der GuV der Viehzucht GmbH die Umsätze der Planjahre fehlen, muss man sie mithilfe des Preis-Mengen-Gerüsts errechnen. Dazu sollte der Kandidat den Produktmix bzw. die Verteilung der zwei Produkte erfragen oder unterstellen. Die Rechnung ist wie folgt:

Zum Vergleich der unterdurchschnittlichen Profitabilität der Viehzucht GmbH sollte man die EBITDA-Marge mit denen der Mitbewerber vergleichen:

Viehzucht GmbH 2022: 12/80 = 15%

Piglet GmbH 2020: 68/450 = 15%

Procelet GmbH 2020: 15/151 = 10%

Fazit: Aus diesen Entwicklungen lässt sich eine deutlich abnehmende Profitabilität der Ferkelzucht im Vergleich zur Jungbullenzucht feststellen. Dieses Ergebnis wird durch die Folgenden Analyseergebnisse gestützt:

• Zu den wesentlichen Krisenursachen zählt neben den beiden umsatzstarken Mitbewerbern u.a. der Preisdruck durch den sich konsolidierenden Absatzmarkt. Der Viehpreis steht unter Druck, weil der Trend (siehe Diagramm 3) in Richtung weniger, aber größerer Mastbetriebe geht.
• Der Trend zu bewussterem, ökologischem Fleischkonsum sowie aufkommende Substitute (wie z.B. vegetarisches Fleisch) stellen zusätzliche Risiken dar. Der Schweinefleischkonsum ist nimmt ab, während der Konsum von Geflügel und Rindfleisch tendenziell steigend ist (siehe Diagramm 2).
• Der Schlachtpreis für Jungbullen entwickelt sich im Vergleich zu den die Kilopreisen für Ferkel überproportional (siehe Diagramm 1).

Informationen, die dem Kandidaten auf Nachfrage mitgeteilt werden dürfen:

• Es existieren keine leistungs- und finanzwirtschaftlichen Verflechtungen zu anderen Tochterunternehmen der Holding, weil in dem Fall nicht möglich;
  Ergo: das Tochterunternehmen, Viehzucht GmbH, steuert seine Liquidität selbst
• Es ist keine Kontokorrentlinie unterstellt
• Zum Stichtag hat das Unternehmen Guthaben i.H.v. € 1,0 Mio. bei der A-Bank sowie € 2,0 Mio. bei der B-Bank.
• Das Unternehmen verfügt bei der A-Bank über eine Kontokorrentlinie i.H.v. € 3,0 Mio. die zum Stichtag nicht gezogen ist.
• Das Unternehmen hat zum Stichtag Verbindlichkeiten i.H.v. € 5,2 Mio., davon sind € 3,2 Mio. fällig.
• Die Maßnahmen zur Behebung der Finanzierungslücke lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: Innen- und Außenfinanzierung

Zur Ermittlung der verfügbaren Liquidität müssen die freien Linien und die Guthaben summiert werden:

Freie Linien: € 3,0 Mio. Kontokorrentlinie - € 0,0 Mio. Inanspruchnahme = € 3,0 Mio.

Verfügbare Liquidität: € 3,0 Mio. freie Linien + € 3,0 Mio. Guthaben = € 6,0 Mio.

Verfügbare Liquidität nach fälligen Verbindlichkeiten = Verfügbare Liquidität € 3,0 Mio. – Fällige Verbindlichkeiten € 3,2 Mio. = € 2,8 Mio.

Es bestehet zum Stichtag keine Unterdeckung, da die fälligen Verbindlichkeiten durch die verfügbare Liquidität vollständig beglichen werden können.

Die Finanzierungslücke i.H.v. € 4 Mio. (KW 16) lässt sich durch Maßnahmen bzgl. der Innen- und Außenfinanzierung beheben.

Die Priorisierung sollte unter Berücksichtigung der Kosten sowie kurzfristiger Realisierbarkeit erfolgen und kann zum Ergebnis haben, dass man eine Kombination aus den o.g. Maßnahmen anstrebt. Da die historische GuV nachhaltig unprofitabel ist, ist ein Beitrag der Banken unwahrscheinlich. Aus diesem Grund würde man wie folgt priorisieren (indikativ):

1. Ausgaben prüfen/priorisieren/verschieben
2. Mahnwesen
3. Kürzere Zahlungsziele auf Kundenseite
4. Längere Zahlungsziele auf Lieferantenseite
5. Vorratsabbau/Einkaufsstopp
6. Investitionsstopp
7. Gesellschafterbeitrag
8. Mezzanine-Finanzierung
9. Vorratsfinanzierung
10. Sale-and-Lease-Back/Leasing
11. Verkauf nicht betriebsnotwendiges Vermögen
12. Einführung Factoring
13. Lieferantendarlehen
14. Überbrückungskredit der Kreditinstitute

Informationen, die dem Kandidaten auf Nachfrage mitgeteilt werden dürfen:

• Aufgrund der nachhaltig unprofitablen Situation sollte dem Vorstand sowie den Gesellschaftern neben den im Meeting besprochenen Optionen als vierte Handlungsoption (Worst-Case) ein Liquidationsszenario dargestellt werden

Die aktuellen Handlungsoptionen können aus der Mitschrift des Strategiemeetings sowie darüber hinaus gestellten Fragen abgeleitet werden:

1. Anorganisches Wachstum mithilfe von Zukäufen anderer Ferkelbetriebe
2. Organisches Wachstum
3. Verkauf an einen Strategen
4. Liquidation/Abwicklung

Informationen, die dem Kandidaten auf Nachfrage mitgeteilt werden dürfen:

• Der Leverage der Viehzucht GmbH ist bereits hoch
• Nach Einschätzung von Experten kann sich der Verkaufsprozess hinziehen, weshalb in der Zwischenzeit die Fortführung der Viehzucht GmbH gesichert werden muss
• Bei organischem Wachstum ist es fraglich, ob die rechtzeitige Erreichung einer kritischen profitablen Betriebsgröße überwiegend wahrscheinlich ist

An dieser Stelle ist es essentiell, dass der Kandidat eine fundierte und diversifizierte Begründung für seine Entscheidung abgibt. Potentielle Vor- und Nachteile sowie Chancen und Risiken sollten der verfügbaren Restzeit entsprechend abgewägt werden.

Nachfolgend sind potentielle Kriterien aufgelistet, nach denen eine Beurteilung der Optionen stattfinden kann:

• Höhere Verhandlungsmacht (Vorteile Einkauf & Vertrieb)
• Professionalisierung des Finanzwesens
• Standardisierung und damit Verbesserung der medizinischen Versorgung der Tiere
• Transaktionsgeschwindigkeit
• Rechtssicherheit
• Unternehmenswert
• Auswirkung Mitarbeiter, Banken und Gesellschafter
• Realisierbarkeit
• Unter Berücksichtigung der vorliegenden Kriterien wird ein Verkaufsprozess empfohlen.