Lösung
Grün hervorgehobene Paragraphen deuten auf Diagramme/Tabellen hin, die mit der Interviewten geteilt werden können. Du findest sie unter „Case-Exhibits“
Blau hervorgehobene Passagen kennzeichnen Informationen, die der Interviewten verbal mitgeteilt werden können.
Orange hervorgehobene Paragraphen kennzeichnen Hinweise, die Dir helfen, die Interviewte durch den Case zu führen.
I. Untersuchung der sinkenden Gewinne
Sinkende Gewinne können die folgenden Gründe haben:
- sinkende Erträge bei konstanten Kosten,
- steigende Kosten bei konstanten Erträgen,
- steigende Kosten und sinkende Erträge oder
- ein stärkeres Sinken von Erträgen als von Kosten erklären.
Der Einfachheit halber ist davon auszugehen, dass Erträge lediglich durch den Verkauf von Produkten und Einnahmen durch bestehende Kunden zustande kommen. Über die Kunden wissen wir bereits, dass diese abwandern. Betrachtet werden sollte die Entwicklung der Anzahl der verkauften Produkte und des durchschnittlichen Ertrages pro verkauftem Produkt.
II. Untersuchung Produktportfolio
Tabelle 1 sollte mit der Interviewten geteilt werden
Zentrale Erkenntnis
Es gibt starke Rückgänge in den Verkaufszahlen. Allerdings gibt es kein Produkt, was aus der Masse hervorsticht und kein einziges hat einen negativen Ertrag. Daher kann von diesen keines ausgeschlossen werden. Das Problem muss an anderer Stelle zu finden sein. Die Frage ist, warum die Verkaufszahlen konstant nachgelassen haben. Die sinkenden Gewinne sind durch einen schlechteren Vertrieb zu begründen.
Die Interviewte sollte erkannt haben, dass der Vertrieb das Problem ist. Sie sollte versuchen zu ergründen, ob es eine granularere Aufstellung über den Vertrieb gibt. Falls die Interviewte nicht weiterkommt, kannst Du sie bspw. fragen: "Gibt es ggf. bestimmte Aspekte, welche Sie für betrachtenswert halten?"
Für die weitere Analyse der Verkaufszahlen würden sich wohl Kennzahlen wie Verkäufe pro Mitarbeiter oder Aufstellungen über die Verkaufszahlen pro Vertriebskanal eignen.
III. Untersuchung Vertriebskanäle
Diagramm 1 und Tabelle 2 sollten mit der Kandidatin geteilt werden
Die Interviewte kann die Daten auf sich wirken lassen und Hypothesen formulieren. Die Kategorie "Sonstiges" sollte hinterfragt werden. Eine sinnvolle Antwortmöglichkeit wäre hier bspw., dass unter "Sonstiges" eine App fällt.
Die Interviewte erkennt im besten Fall, dass online wesentlich mehr Customer-Touchpoints stattfinden als beim traditionellen Vertrieb. Sie benötigt eine Aufstellung über Interaktionen pro Abschluss und die zugehörigen Erträge.
Diagramm 2 und Tabelle 3 sollten mit der Interviewten geteilt werden
Aus den Daten geht hervor, dass die Bank auf traditionellen Kanälen wie der Filiale und dem Telefon stark aufgestellt ist. Teilweise werden im Vergleich zur Branche hervorragende Ergebnisse erzielt. Auffällig ist jedoch auch, dass digitale Kanäle entweder schlecht oder noch gar nicht erschlossen wurden. Die geringen Verkaufszahlen, die teilweise hohen Kosten und unerschlossene Potenziale sind der Grund für die sinkenden Verkaufszahlen.
Es scheint, als ob der Vorstand mit seinen Befürchtungen in Bezug auf die Digitalisierung Recht gehabt haben könnte. Sollten mangelnde digitale Kompetenzen bei der Bank vorhanden sein, könnte das ggf. auch die Abwanderung der Kunden erklären, da sich die Kundenbedürfnisse in den letzten Jahren deutlich geändert haben.
Die Interviewte sollte erfragen, ob es eine Aufstellung von Gründen gibt, warum Kunden die Bank verlassen haben. Auf Nachfrage werden Diagramm 3 und Diagramm 4 geteilt.
IV. Untersuchung Abwanderungsmotive der Kunden
Im Folgenden sollten Abwanderungsgründe untersucht und ggf. sogar miteinander in Relation gesetzt werden.
Zentrale Erkenntnisse
- Hohe Gebühren sind grundsätzlich ein Problem für Kunden.
- Bringt man diese mit der schwach ausgeprägten digitalen Kompetenz (erkennbar an den wenigen digitalen Angeboten und dem komplizierten Online-Banking) und den langen Bearbeitungszeiten der Bank zusammen, lässt sich vermuten, dass der Automatisierungs- und Digitalisierungsgrad in Bezug auf Prozesse gering ausgeprägt ist.
- Das aufdringliche Anbieten von Produkten kann durch eine ggf. nicht vorhandene Absprache zwischen den (anscheinend) separat agierenden Kanälen erklärt werden.
- Konsequenterweise gibt es keine einheitliche Datenbasis für den Vertrieb. Dies verhindert den Einsatz von prozessoptimierenden und ertragssteigernden Maßnahmen wie die Einrichtung von analytischen Systemen.
Die Bank verliert vor allem viele junge Kunden. Dies ist für die langfristige Ausrichtung der Bank ein großes Problem. Da insbesondere junge Kunden hohe Anforderungen an Banken in Bezug auf digitale Lösungen stellen, scheint es hier klaren Nachholbedarf zu geben.
Learnings:
Die Vermutung der mangelnden digitalen Kompetenz der Bank wird durch diese Informationen bestätigt. Eine digitale Roadmap und eine zeitnahe Umsetzung sind notwendig, um wieder konkurrenzfähig zu werden.
V. Ausgestaltung der Roadmap
Wie genau und wie detailliert die Interviewte die Roadmap darlegt, bleibt ihr selbst überlassen. Als Interviewer sollte darauf geachtet werden, dass die Interviewte weder zu oberflächlich Schlagwörter nennt, noch sich in Details verliert. Eine beispielhafte Roadmap folgt:
Primäres Ziel sollte zunächst sein die Abwanderung von Kunden zu stoppen. Dazu gibt es bspw. drei Maßnahmen die ergriffen werden sollten.
- Gebührensenkung und Prozessoptimierung: Unter Berücksichtigung der Beschwerden der Kunden, sollten die Gebühren gesenkt werden, ggf. auch unter dem Risiko kurzfristige Verluste einzufahren. Um das Problem langfristig zu lösen sollten die Geschäftsprozesse analysiert werden, inwiefern diese effizienter gestaltet und im besten Fall automatisiert werden können. Dies ermöglicht das Einsparen von Kosten und die Bearbeitungszeit verkürzt sich. Damit kann man zwei der Hauptbeschwerden berücksichtigen.
- Ausbau digitales Angebot: Zudem muss das digitale Angebot der Bank ausgebaut werden. Das Online-Banking muss vereinfacht werden, die Webseite ggf. neu strukuriert werden, da auf diesem Weg erstaunlich geringe Abschlüsse zu verzeichnen sind. Eine App für die Bank muss entwickelt werden, sofern diese noch nicht besteht, und diese sollte zumindest die Standardfunktionen für Kontoführung anbieten. Die Erstellung von Mails muss ebenfalls vereinfacht und automatisiert werden. Die derzeitigen Gewinne sind knapp 80% niedriger als in der restlichen Branche. Dies könnte durch eine manuelle Erstellung begründet werden.
- Unified Database / Omnikanalansatz: Um die unterschiedlichen Kanäle untereinander zu organisieren und Kommunikation kanalübergreifend transparent zu machen, muss eine Omnikanal-Strategie entwickelt werden. Zentral für diese ist die Einrichtung einer einheitlichen Datenquelle, damit alle Kanäle wissen, welche Informationen dem Kunden zugesendet oder Anfragen gestellt worden sind. Diese Datenquelle kann langfristig dazu genutzt werden, das Vertriebsverhalten auf Kundenebene zu optimieren. Durch Analysemethoden für große Datenmengen können Vorlieben der Kunden in Bezug auf die Art, Frequenz und zeitlichen Ablauf der Kommunikation identifiziert und im Verkaufsprozess berücksichtigt werden. Werden bestehende Produkt- und Privatinformationen in der Analyse berücksichtigt, lassen sich zudem Produktempfehlungen für den Vertriebler auf Kundenebene erstellen.